Dezember 3, 2021

Rückkehr...


Nun bin ich also auf dem Rückweg, sitze auf der Fähre und versuche die vergangenen 2 Wochen in irgendeiner Weise zu be-/verarbeiten. Zum Glück ist Sandra bei mir, die mich begleitet und mir hilft Annas Sachen in unserem Haus wegzuräumen. Ich schaffe das nicht alleine, kann aber nicht dauernd Annas Kleider usw. um mich haben. Das tut einfach zu weh. Sandra wird eine Woche bleiben und dann muss ich 1 Woche lang alleine klarkommen, bevor ich in den Weihnachtsferien wieder nach Deutschland fahre. Am Montag fange ich mit ein paar Stunden Unterricht wieder in der Schule an. Mal sehen wie und ob das klappt, ist ja erst mal nicht viel.
Gestern Nachmittag waren wir noch mal an Annas Grab. Schneebedeckt und unwirklich. Schmerzhaft, traurig, wütend, enttäuscht, verletzt, einsam. Es lässt sich nicht beschreiben, welche Gefühle einen da überkommen. Die Tränen konnte und wollte ich jedenfalls nicht zurückhalten. Die wunderschönen Blumen sind natürlich noch da und der Himmel hat eine dünne weiße Decke über Anna gelegt. Sie hat ja immer so gefroren in letzter Zeit, vielleicht hilft das.
Die Beerdigung ging dann ja zum Glück doch schnell und wir mussten nicht so lange warten um den notwendigen Abschluss zu finden und den Prozess beginnen zu lassen, den Gedanken zuzulassen, dass Anna nicht mehr da ist. Trotzdem denke und hoffe ich, dass sie einfach zu Hause ist und uns begrüßt, wenn wir ankommen.
Das Beerdigungsinstitut hat uns gestern die Bilder von der Trauerfeier in der Kirche gegeben. Schön sieht es aus. Anna-würdig, die vielen bunten Blumen, genau so wie Anna es sich gewünscht hat. Sie hat sich gefreut. Das weiß ich, schließlich hat sie sich ja noch einen Scherz mit mir erlaubt. Als der Pfarrer, den wir aus dem Ruhestand geholt haben und der nicht mehr besonders gut zu Fuß ist und mit Krücke gehen muss, in die Kirche kam, dort die 3 Stufen zum Altar hochmusste und Hilfe brauchte, fragte er natürlich mich, ob ich ihn nicht stützen konnte. Gerade mich. Klar, ich habe ja jetzt lange Erfahrung sammeln können und Anna hat ihm sicher zugeflüstert: „Nimm mal den nützlichen Mann da in der ersten Reihe, der kann das, der hat das lange genug geübt!“. Jedenfalls riss einen das etwas aus der Versenkung heraus. Es war eine angemessene Feier für Anna und auch wenn es beim gemeinsamen Beisammensein am Nachmittag und am Abend keine richtige Party wurde, so war die Stimmung doch insgesamt gedämpft fröhlich, ja leicht und nicht ernst und erdrückend. Ich bin so dankbar, dass so viele liebe Menschen da waren. Die Familie, die Freunde und viele Menschen aus Marburg, die Annas Leben haben erinnern und feiern können. Danke dafür. Auch für die Kommentare im Blog unter den verschiedenen Beiträgen und die viele Post. Natürlich muss ich immer wieder heulen, wenn ich das lese, aber es ist so berührend und stützend für mich wahrzunehmen, wie viel Anna uns allen bedeutet hat und das ich mit meinem Schmerz nicht alleine bin. Auch all die lieben Freunde, die ich die letzten Tage in Marburg besucht habe, haben mir geholfen nicht in einem finsteren Loch zu versinken. Eigentlich bin ich nicht der Typ dafür und schließlich habe ich es Anna ja versprochen, dass ich versuche, mir etwas von ihrem Optimismus und ihrer Lebensfreude anzueignen. Auch wenn es in der jetzigen Situation schwerfällt. Das Loch ist da und mit jeder Minute, die wir uns Norwegen nähern, scheint es größer zu werden. Zum Glück muss ich erst mal Schnee schieben, wenn wir ankommen, das lenkt ab und das Haus hat Zeit warm zu werden. Ich werde den Schnee einfach in das Loch schieben, vielleicht bremst das meinen Fall, jedenfalls wird das Aufschlagen weicher. Ich freuen mich aber auf die Katzen und hoffe, dass sie mir nicht böse sind und erst mal schmollen, weil ich sie 10 Tage alleine gelassen habe. Aber sie sind ja gut von einer lieben Nachbarin versorgt worden, es sollte also nicht so schlimm sein. Auch den Weg zum schneebedeckten Blumenboot muss ich mir erstmal bahnen. Ich habe Anna doch einiges zu sagen! Am Grab konnte ich das nicht, da habe ich es nicht geschafft, am Boot wird es gehen, schließlich ist sie da DA und nicht „nur“ ihr geschundener Körper, der sie so viel Kraft gekostet hat in den letzten Jahren.
Ach Anna, sei bitte zu Hause, wenn ich ankomme!

Tim

P.S. Irgendwie war Anna schon da, als ich hier war, aber sehen konnte ich sie nicht. Sie fehlt so sehr!

4 Comments on “

  1. Wie gerne wäre ich vor Ort, um Dir in Deinem Schmerz und Deiner Trauer beizustehen, Tim! Nach allem, was ich inzwischen weiß, ist der (körperliche) Tod nicht das letzte Wort! Ihr werdet euch in einer anderen Daseins-Sphäre wieder begegnen und zusammen kommen! Davon bin ich überzeugt! In Gedanken bin ich bei Dir!

  2. Danke für die vielen Bilder und dein Vertrauen uns gegenüber. Anna bleibt immer bei uns, all das, was sie auf dieser Welt an Liebe und Freude gelassen hat. Deine Worte haben mich auch wieder zum Heulen gebracht. So schön diese Welt ist, so ungerecht ist sie aber auch.

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