Juni 30, 2017




Sommerfest mit Kollegen!



Essen gab es reichlich.



Gebadet wurde auch...



Die Stimmung war ausgezeichnet!



So lässt es sich leben!



Nachts um 1:30 Uhr.

Das erste Jahr.

Nun sind wir also seit einem Jahr in Norwegen und das erste Schuljahr gehört seit letzter Woche der Vergangenheit an. Es ist somit an der Zeit, Rückblick zu halten.
Zu allererst aber: Anna geht es besser. Der Tumormarker im Blut ist um 100 Punkte gesunken. Die Behandlung schlägt also an. Zwar kämpft Anna mit den Nebenwirkungen der Bestrahlung und der Chemotherapie, aber sie kann sich besser bewegen, läuft schon hin und wieder ohne Krücken und braucht am Morgen keine Hilfe mehr beim Aufstehen. Die Fortschritte sind klein aber deutlich bemerkbar. Natürlich geht das für Annas Empfinden viel zu langsam, aber Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut. Sie kommt inzwischen alleine in den Garten und bei schönem Wetter sitzen wir auf dem Steg und fühlen uns wie im Urlaub. Unsere Reise nach Kreta mussten wir leider absagen und unser kleines Paradies in Griechenland ist verweist, aber wir haben hier auch unser Paradies gefunden, auch wenn es nicht ganz so warm ist wie in der Ägäis. Wenn also noch jemand Lust hat spontan nach Kreta zu fahren, oder jemanden weiß, der dort gerne Urlaub machen würde, dann sagt uns Bescheid (www.kreta.stimmzoo.de)!
Am vorletzten Donnerstag (22.6.) hatten wir den Sommerschulabschluss. Wieder so eine Veranstaltung um 18 Uhr, die irgendwie einer Monatsfeier gleichen soll. Ihr erinnert Euch, schon Weihnachten war ich von dieser Art des Abschlusses nicht überzeugt und daran hat sich nicht wirklich etwas geändert. Immerhin gab es mal Eurythmie auf der Bühne zu sehen, mit Schleiern und allem drum und dran. Die 10. Klasse hat die Schule verlassen und geht nun auf andere, weiterführende Schulen (entweder Richtung Abitur oder in berufsorientierte Zweige). Die Verabschiedung der Zehntklässler war schon 2 Wochen früher (mit Eltern, Lehren, Zeugnisübergabe und gemeinsamen Essen), was die Schüler dann allerdings die letzten beiden Wochen noch in der Schule machen, erschließt sich weder mir noch den Schülerinnen und Schülern. Da wird der Unterricht dann zum Unterhaltungsprogramm.
Jedenfalls habe ich das erste Schuljahr überstanden und schaue inzwischen mutvoll in die Zukunft. Ich habe guten Kontakt zu allen Schülern und werde von diesen sehr gemocht, was man allerdings von dem Fach, das ich unterrichte, nicht behaupten kann. Aber immerhin.
Nach wie vor ist die Zusammensetzung der Klassen mit dem riesigen Anteil an Schülern mit besonderem Förderungsbedarf eine große Herausforderung für mich und die Schüler haben immer noch nicht begriffen, dass zum Erlernen einer Fremdsprache Vokabeln irgendwie dazugehören. Aber ich werde immer erfindungsreicher, so dass ab und zu bei den Schülern ein paar Vokabeln hängenbleiben, ohne dass sie das merken. Die Angst der Schüler vor dem Sprechen kennen wohl alle Fremdsprachenlehrer und ich hoffe, dass mir da noch ein paar Ideen kommen, um diese Ängste zu überwinden.
Im Kollegium bin ich voll integriert und in der letzten Ferienwoche werde ich einen Fortbildungskurs für alle interessierten Lehrer geben, mit Anthroposophie (Menschenkunde), Methodik und künstlerischen Kursen. Ganz klassisch also. Viele Kollegen fahren eigentlich in der Woche vorher nach Oslo, zum sogenannten Oslo-Kurs. Aber wie das so ist, ist dieser Kurs hauptsächlich für Anfänger ausgelegt und einige Kollegen wünschen sich eine spezielle Vorbereitung für bestimmte Epochen. Damit kann ich dienen und ich freue mich auf diese Woche. Zur Vorbereitung habe ich mir die Menschenkunde und die Theosophie auf Norwegisch ausgeliehen, so dass ich in den Ferien die entsprechenden norwegischen Begriffe lernen kann (irgendwie konnte ich nämlich Ätherleib und Astralleib nicht im Wörterbuch finden…).
Am Freitag der vorletzten Schulwoche haben wir bei uns das traditionelle Sommerfest aller Angestellten der Schule gefeiert. Anna hatte sich gewünscht, dass das bei uns stattfindet und da es ihr besserging, ging dieser Wunsch in Erfüllung. Bei strahlendem Wetter haben wir bei uns im Garten auf dem Steg gesessen und die Sommerküche eingeweiht. Es gab deutsche Bratwurst und deutsches Bier, was die Kollegen sehr glücklich machte. Ansonsten haben alle etwas zum Essen mitgebracht und in Norwegen gehört es dazu, dass jeder seine alkoholischen Getränke selber mitbringt (um den Geldbeutel des Gastgebers zu schonen), so dass sogar die kleinen Krombacher-Fässchen gereicht haben, die liebe Besucher für uns importiert hatten. Bis nachts um halb zwei haben wir zusammen gefeiert und so mancher Kollege ließ es sich nicht nehmen, zwischendurch mal ins Meer zu springen. Alle haben sich riesig gefreut Anna wiederzusehen und der Platz bei uns ist so phantastisch, dass gleich der Wunsch aufkam, das Sommerfest jetzt immer bei uns zu feiern.
Auch die Schuleltern haben sich bei uns gemeldet, einen rührenden Brief geschrieben, in welchem sie sich bedanken, dass wir an der Schule sind (die Schüler haben anscheinend zu Hause sehr von Annas tollem Essen geschwärmt) und Anna gute Besserung und baldige Genesung gewünscht. Als kleines Präsent hat der Elternbeirat Geld gesammelt, welches wir nun in Form von Bio-Abbokisten abrufen können. So sind wir jedenfalls bis mindestens Weihnachten mit gesundem und leckerem Gemüse versorgt. Da muss es Anna ja stetig bessergehen. Wir waren beide von dieser Geste jedenfalls sehr ergriffen.
Natürlich ist das erste Jahr ganz anders verlaufen, als wir es uns vorgestellt haben. Für mich war die Arbeit in der Schule viel schwieriger, für Anna, als sie plötzlich die Schulküche übernehmen und aufbauen sollte, viel beglückender als gedacht. Dafür fange ich jetzt plötzlich an, Kollegen in Waldorfpädagogik auszubilden, etwas, dass ich mir schon immer gewünscht hatte. Dann haben wir unser unglaubliches neues zu Hause gefunden (geträumt hatten wir ja schon immer mal von einem Haus mit Blick aufs Meer und nun haben wir sogar einen eigenen Steg mit „Bötchen“) und dann kam Annas schwere Krankheit mit den langen unglaublich starken Schmerzen im Rücken. Das Leben geht seltsame Pfade. Wir können nur sagen, dass wir beide sehr glücklich in unserer neuen Heimat sind und den Schritt, den wir gemacht haben, nicht bereuen. Vielleicht hätte einiges etwas einfacher sein können, aber was ist schon einfach im Leben. Freud und Leid liegen eben eng beisammen und natürlich wäre ich auch nach Nordkorea oder zu Hr. Trump ins weiße Haus gezogen, wenn Anna dadurch nicht krank geworden wäre. Aber die Wege des Schicksals sind verschlungen und wer weiß schon, wofür das alles gut ist. Denn, dass das alles einen Sinn hat und zu einem guten Ende kommt, davon sind wir überzeugt. Was die Krankheit jetzt schon ausgelöst hat ist, dass wir jeden gemeinsamen Tag wieder ganz bewusst genießen. Wir freuen uns aneinander und am Leben, und dass ist in den letzten Jahren in dem ganzen Alltagstrott doch viel zu kurz gekommen. Vielleicht hat einen die Arbeit mehr erfüllt, aber sie hat einen auch aufgefressen. Wenn wir aus der Krankheit und den Erfahrungen, die wir in diesem Jahr gemacht haben, ein Fazit ziehen wollen, dann wäre das wohl: Wir nehmen uns Zeit füreinander und genießen das Leben. Ganz bewusst, jeden Tag. Wir lassen uns von der Arbeit nicht erdrücken, so sehr sie einen auch erfüllt. Es gibt Dinge und Menschen im Leben, die wichtiger sind als Erfolg und Selbstzufriedenheit. Es sind wirklich Binsenwahrheiten, aber wenn man plötzlich in so eine Situation kommt, in der Glück und Leid fast deckungsgleich sind, dann macht das Sinn, dann erfährt man Erfüllung im Alltäglichen, und das Alltägliche wird wieder etwas ganz Besonderes. (Ich sitze nach einem Kurzbesuch in Marburg gerade auf der Fähre auf dem Rückweg nach Norwegen, es ist 0:45 Uhr und ich habe 12 Stunden im Auto gesessen. Das erklärt vielleicht ein wenig meine letzten Zeilen!)

Die Sommerferien sind nun mit Besuchern gefüllt und Anna freut sich sehr, so viele Menschen um sich zu haben. Ob die Besucher, die aufgrund von Überfüllung im Wohnzimmer auf einer Luftmatratze nächtigen müssen, allerdings so glücklich darüber sind, wenn ich um 6:30 Uhr aufstehe, die Kaffemühle anschmeiße um dann draußen meinen Morgenkaffee zu genießen, wird sich zeigen. Da es im Moment ja gar nicht mehr richtig dunkel wird, wache ich einfach für meine Verhältnisse sehr früh auf. Anstatt mich zu ärgern, genieße ich die frühen Morgenstunden (jedenfalls für mich) auf der Terrasse und beginne ganz langsam zu begreifen, dass Frühaufsteher doch ganz normale und vernünftige Menschen sein können. Ich kann ja im Winter wieder länger schlafen!
Jetzt brauchen wir eigentlich nur noch schönes Wetter und dann ist alles perfekt.
Wir wünschen Euch einen schönen Sommer (so verabschieden sich hier alle in die Ferien), werden aber auf jeden Fall bald wieder von uns hören lassen und von Annas Fortschritten berichten.
Schickt Anna weiter Eure guten Gedanken. Das hilft!!
Bis bald!

Liebe Grüße

Tim & Anna

 

12 Comments on “

  1. Liebe Anna, lieber Tim,
    das ist ein unglaublich ergreifender und wahrhafter Rückblick, eine Ist-Berschreibung, die mir die Tränen in die Augen treibt.
    Ich wünsche Euch beiden von ganzem Herzen einen schönen Sommer und vor allem viele zauberhafte alltägliche Momente in eurem wundervollen Traumhaus.
    Seid weiterhin so tapfer und geduldig, liebe Anna!
    Ganz liebe Grüße aus dem schönen, wenngleich vergleichsweise stink schnöde langweilig anmutenden, Weidenhausen, Christina

  2. Ich freue mich sehr für Euch, dass Ihr so gut angekommen seid! Ihr lebt auf einem wunderbaren Platz, das Haus am Fluss strahlt eine sehr positive Energie aus, die Euch allen gut tut!
    Liebe Gruesse aus Kreta!
    Johanna

    1. Meer, nicht Fluss 🙂 Das Haus liegt am Ende eines Fjords, Salzwasser also. Bis zum offenen Meer, so wie Ihr das auf Kreta kennt, sind es ca. 8 km. Allerdings ist das Wasser nicht so salzig wie bei Euch. Ich hoffe sehr, dass wir uns kommendes Jahr auf Kreta sehen!!!

  3. ach Tim, sooo schön geschrieben und wenn ich euch schon im letzten Sommer so liebevoll miteinander erlebt habe, so spricht doch aus deinen Zeilen, dass euer Miteinander noch mehr gewachsen ist. Das ist gerade in eine solchen Krankheitssituation alles andere als selbstverständlich. Und das freut mich so sehr für euch. Und dass es Anna besser geht ist wundervoll. Ich wünsche euch einen wunderschönen Sommer in eurem Paradies und hoffe, dass wir es auch bald schaffen, euch zu besuchen.
    Liebe Grüße von den Könings

  4. 6.30 Uhr! Gern! Wenn Du mir im August auch ein Tässchen brühen magst, dann hocke ich mich in der Früh gerne zu Dir, lieber Tim.
    Ich habe mich riesig gefreut zu hören, dass es Anna schon etwas besser geht! Wir drücken weiter alle vier Daumen!
    Herzliche Grüße
    Jochen

  5. Tja, auch bei Shakespeare war es ja in Wirklichkeit die Lerche und nicht die Nachtigall. Vielleicht wär das Drama mit Romeo und Julia mit Kaffee am Morgen vermeidbar gewesen. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir uns diese Woche mal wieder gesehen haben und schicke auch Anna – wie in diesem Blogbeitrag gewünscht – weiter alle guten Gedanken gen Norden, in der frohen Hoffnung dass es helfen möge. Wenn positive Gedanken so heilsam sind wie man ihnen nachsagt, dann ist mir nicht bange um sie. Trevlig sommar! (Heißt es auf schwedisch, wird norwegisch nicht viel anders klingen, nehme ich an.)

  6. Wir sind seit einer Woche auf unserer Lieblingsinsel Sylt und genießen Sonnenuntergänge, schwere Gewitter und lange Spaziergänge am Meer. Wir denken viel an euch und das Glück, euch so nah beieinander zu wissen ….
    Weiterhin viele schöne Sommerwochen in eurem wunderschönen Haus .
    Herzliche Grüße
    Beate ,Günter und Paula

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