November 21, 2021

Die letzten Tage.

Vielen, vielen Dank für die lieben Kommentare, die Beileidsbekundungen, die Erinnerungen, das Mut machen. Die Mails, die Nachrichten, alles das hilf uns sehr und zeigt, welchen großen Abdruck Anna hier auf der Erde hinterlassen hat.
Vielleicht scheint es seltsam oder pietätlos, aber ich muss mir das einfach von der Seele schreiben, vielleicht ist dies meine Art mit dem unsagbaren, unbeschreiblichen Verlust umzugehen und die Trauerarbeit zu beginnen.
Es ist ja noch gar nicht lange her, dass ich schrieb, ich glaubte, Anna sei auf dem Weg. Es war am 11. November. Am 12. November hatten wir noch Besuch zum Kaffeetrinken, von unseren norwegischen Freunden Melanie und Tommy. Anna saß am Nachmittag am Küchentisch und aß genussvoll den von Gunvor gebackenen Apfelkuchen. Mit viel Schlagsahne! Nach einer Stunde war sie aber so müde, dass ich sie aufs Sofa gelegt habe. Sie hat sich unter Tränen bei Tommy verabschiedet und darum gebeten, dass sie bestimmt in der nächsten Woche noch einmal wieder kommen. Beim Abendessen musste ich sie dann füttern, alleine schaffte sie es nicht mehr. Das größte Problem war, dass sie es kaum schaffte, ihre ganzen Medikamente zu schlucken. Oft dauerte es fast 30 Minuten, bis alle unten waren. Am Samstag (13. November) habe ich sie morgens noch aus dem Bett geholt, wir waren im Bad und sie hat eine Kleinigkeit gefrühstückt und mit dem Strohhalm ein paar Schlucke Kaffee getrunken. Dann wollte sie allerdings gleich wieder in Bett. Am Mittag hat sie noch einmal 3 Tabletten genommen und ist dann eingeschlafen. Wenn ich geahnt hätte, dass dies ihr letzter wacher Moment war, hätte ich sicher andere Dinge zu ihr gesagt! Am Nachmittag fing sie dann an, schwer und geräuschvoll zu atmen (ihre Lunge war schon seit längerer Zeit ziemlich verschleimt) und ich habe den Pflegedienst angerufen und gebeten einen Zugang zu legen, damit sie sie ihre Medikamente bekommen kann. Die haben das auch gemacht und mir Morphin und 2 andere Medikamente dagelassen, die ich ihr alle 4 Stunden per Spritze in die Zugänge verabreichen sollte. Leider verschlechterte sich ihr Zustand zusehends, so dass wir die Morphin-Intervalle beschleunigt haben und zusätzlich ein Mittel gaben, was ihr das Atmen erleichterte. Am Montag morgen war sie dann völlig entspannt und friedlich, Anna atmete gleichmäßig und ohne Aussetzer. Unser Hausarzt, bei dem ich morgens kurz gewesen war, kam auf dem Nachhauseweg vorbei um nach ihr zu sehen und sich bei ihr zu bedanken, dass er ihr Arzt sein durfte. Er meinte beim Gehen, dass es wohl keine 24 Stunden mehr dauern würde, aber Anna hat ein starkes gesundes Herz und ist jung. Überhaupt war der Umgang der Krankenschwestern und aller die vorbei kamen absolut fantastisch. Alle redeten ganz ruhig und normal mit Anna, denn sie wussten, dass Anna alles hören konnte, was um sie herum vor sich ging. Annas Schwester Gisela und ihr Bruder Ulrich waren am Sonntag gekommen und wir saßen am Abend im Esszimmer, neben ihrem Bett und haben zusammen mit Anna gegessen. Wir sind uns sicher, dass sie das genossen hat. Da ich die ganze Zeit bei ihr am Bett saß, haben mir Titia und Friedrich die Spaziergänge mit den Hunden abgenommen. Am Abend kam eine Krankschwester die wir schon oft gesehen, aber noch nie getroffen hatten. Sie hat eine Hütte auf der anderen Seite des Fjordes und fährt im Sommer immer mit ihren beiden Hunden, die vorne im Boot stehen, vor unserer Terrasse vorbei. Anna und ich haben ihr schon seit Jahren zugewunken und Anna wünschte sich immer sie mal kennenzulernen und bei ihr die Abendsonne zu genießen. So schloss sich wieder ein Kreis und Annas Wunsch ging noch in Erfüllung, wenn auch die Abendsonne nicht schien. Am Mittwochmorgen mussten Gisela und Ulrich zurück nach Deutschland und Anna wurde zusehends schwächer. Es war ein strahlender Sonnentag. Sie hat uns wirklich Zeit gegeben uns zu verabschieden und an diesem Tag waren wir alle soweit, Anna wirklich gehen zu lassen. Am Mittwochabend um 23.55 habe ich ihr Medizin gegeben und mich dann auf die Matratze gelegt. Um 2:30 Uhr wieder. Da atmete sie noch ganz ruhig. Ihr Puls war oberflächlich und schnell. Um 4:35 Uhr wachte ich auf, weil Anna schwer atmete und längere Atempausen hatte. Ich habe mich zu ihr gesetzt und habe ihr, als ich den Eindruck hatte, dass sie sehr unruhig wurde, noch eine Medizin gegeben, die genau dafür vorgesehen war. Ich habe mich dann nicht mehr von ihr weg getraut, um die anderen zu wecken. Ich habe ihre Hände gehalten und mit ihr gesprochen als sie um 5.10 Uhr ging. Viel zu früh. Man ist nie vorbereitet auf diesen Moment. Wir haben eine Weile bei ihr gesessen und dann die Pfleger benachrichtigt, die innerhalb von 20 Minuten da waren um die Zugänge zu entfernen, Anna zu waschen und ihr die rausgesuchten Kleider anzuziehen. Am Vormittag kam dann der Arzt um den Tod festzustellen, der Pflegedienst hat die Medikamente und das ganze Zeug geholt und am Nachmittag haben wir die Aussegnung gesprochen, bevor ihr Leib um 18 Uhr abgeholt wurde.
Nun geht alles seinen Gang. Annas großer Wunsch war es, im Familiengrab in der Nähe des Hofes an der Ostsee beigesetzt zu werden. Diesen Wunsch werden wir ihr natürlich erfüllen. Es gibt eine Menge Formalitäten zu erledigen und wir haben ein Beerdigungsinstitut hier und eines in Neustadt, die jetzt zusammenarbeiten um Annas Körper zu überführen. Dazu sind Dokumente vom Gericht, der Botschaft, der Polizei usw. nötig. All das wird dauern, so dass wir noch gar nicht genau absehen können, wann die Beisetzung ist. Anna hat sich eine Party gewünscht und bloß kein Schwarz!
Da ich hier einen Platz zu trauern brauche, werde ich mich an das Boot setzen, das wir für Anna in den Garten geschafft haben und welches sie mit Blumen bepflanzt hat. Das Blumeboot ist so sehr SIE und ich fühle mich ihr ganz nah. Jeden Morgen, wenn ich den Hühnerstall aufmache, kann ich ihr dort einen guten Morgen wünschen und am Abend, gute Nacht. Aidan wird mir ein Schild, mit ihrem Namen und ihren Daten machen, das ich an dem Boot befestigen kann. Ich werde oft da sein, ich spreche ja auch jetzt unentwegt mit ihr.
Gunvor und Friedrich sind heute Morgen zurück nach Deutschland gefahren. Titia ist bei mir geblieben, damit ich nicht alleine bin. Welch ein Geschenk. DANKE.
Ich muss jetzt aufhören, weil mir dauernd die Augen verschwimmen. Ich werde dann nach der Beerdigung eine Art Nachruf schreiben und wenn jemand von Euch gerne kommen möchte, so setzte er sich bitte mit mir in Kontakt.
Bleibt bitte in Gedanken bei Anna und uns.

Anna, ich liebe dich so sehr und wir vermissen Dich unendlich!

Bis ganz bald.
Tim

 

In der Schlue in Marburg haben Schüler am Freitag ein Bild von Anna am Haupteingang aufgestellt und Blumen gebracht. Anna hätte sich so gefreut. Danke dafür!

13 Comments on “

  1. Lieber Tim,
    Die Kerze für Anna wird immer in meinem Herzen für sie leuchten. Es tut mir so leid Tim, mein Beileid für Dich und eure ganze Familie. Meine Gedanken sind bei euch.
    Alles Liebe

  2. Lieber Tim,
    wir sind in Gedanken bei euch! Es ist so unfassbar traurig.😭😭😭
    Aber Anna lebt in den Herzen so vieler Menschen weiter und wie du schon geschrieben hattest, sie ist nur vorausgegangen und sie wird sicher immer ganz nah bei dir sein.
    Ich bewundere dich so sehr, lieber Tim, für deine Liebe und Hingabe und ich bin sicher, dass sich Anna keine bessere Begleitung auf ihrem Weg hätte wünschen können.
    Von ganzem Herzen viel Kraft für diese schwere Zeit
    Sabine

  3. Wir trauern mit Euch und sind froh, dass Anna zu Hause im Kreise ihrer liebsten Menschen sterben konnte, dass ihre Hand gehalten wurde und sie behütet war. Trotzdem viel zu früh und eine tiefe Lücke hinterlassend. Welch großes Glück, in diesem Unglück, dass Sie einen solch wunderbaren Partner und ihre liebe Familie an ihrer Seite haben durfte, so geliebt wird und lieben konnte.

  4. Lieber Tim,
    ganz herzliches Beileid für Dich und Deine Familie und viel Kraft für die nächste Zeit. Ich habe am Donnerstag in der Konferenz das wunderbare Zitat von Goethe vorgelesen und wir haben uns einen Moment Zeit genommen, um an Anna und Dich zu denken. Euer mutiger offener Umgang mit dem Tod wird mir immer ein leuchtendes Beispiel sein.
    Alles Liebe,
    Miriam.

  5. Lieber Tim, wir sind uns nie persönlich begegnet, denn ich kenne Anna nur aus der Schulzeit in Lübeck. Dennoch berührt mich zutiefst euer gemeinsames schönes Leben. Und ich bin sehr dankbar, dass ich in dieser Situation dabei sein darf. Du hast soviel Mut, diese Zeit mit Freunden zu teilen und all deinen Kummer und deine Trauer zu zeigen. Und ich bin wirklich froh und erleichtert, dass du dich so schnell wieder gemeldet hast, denn mit Annas Weggang ist es ja nicht alles vorbei. Daher kann ich nur von Herzen sagen, dass jede Nachricht von dir ganz ganz herzlich willkommen ist, gelesen wird und mitempfunden wird!! Ich bin in Gedanken bei euch!!! Liebe Grüße Andrea

  6. Lieber Tim Trepte, liebe Anna,
    als wir vor gut einer Woche den „Waldorftroll“ gelesen haben – mit „Anna ist auf dem Weg“ – da habe ich Euch eine Sternschnuppe geschickt! Von da an haben meine Gedanken Euch jeden Tag begleitet. Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, dass Ihr uns an Eurem Alltag Teil haben lasst, das hat Euch nie wirklich weg sein lassen.
    In meiner Erinnerung sehe ich immer Anna`s Lachen und wie sie in der Schulküche herum wirbelt. Aber Dank der vielen schönen Bilder aus Norwegen von Eurem Zuhause, bleibt sie mit Hund und Katze und dem Lichterspiel am Himmel in Eurer Bucht in unserem Herzen.
    Lieber Tim Trepte, ganz viel Kraft für die nächsten Wochen, Monate, Jahre wünschen wir und dass der Mut nicht schwindet, sondern eine Zuversicht kommt, auf die andere Zeit, die jetzt beginnt. Sie ist uns voraus gegangen – diesen schweren Weg, den wir alle noch vor uns haben. Meine große Bewunderung für Euch beide, so offen damit umzugehen. Möge der Stern weiter leuchten! Alles erdenklich Gute wünscht
    Heidi Schüßler und Familie

  7. Lieber Tim , liebe Titia ,lieber Friedrich und alle lieben Menschen die sie begleitet haben ,
    Anna in so liebevollen Händen zu wissen hat uns immer wieder sehr beruhigt und berührt. Nun sind wir auch sehr traurig und wünschen euch viel Kraft . Die Vorstellung des mit Blumen bepflanzten Boots ist tröstlich und wunderschön. Alles alles Gute und stille Grüße senden euch
    Beate,Günter und Paula

  8. Lieber Tim, das untenstehende Gedicht möchte ich euch schicken. Ich finde, es passt so gut.
    Meine Gedanken sind sehr bei euch – bei Anna – und ich merke, wie schade ich es eigentlich finde, dass wir uns so lange nicht gesehen haben. Das ändert aber nichts an meiner starken Anteilnahme. Da ich von dir keine Emailadresse habe, bitte ich dich hier, mir eine Mail zu schicken und mir zu sagen, wann die „Party“ stattfindet. Ich würde es gern einrichten dabei zu sein.
    Von Herzen viele Grüße Sabine
    An einem anderen Ort:
    Und wenn ich sterbe,
    möchte ich in einer Blumenwiese liegen,
    dann seh ich über mir die Vögel
    ganz schwerelos zum Himmel fliegen.
    Und ich flieg mit,
    auch ich erheb mich in die Höhe
    und lasse unter mir zurück
    der Welten Traurigkeit und Wehe.
    Mein Erdentod soll
    fröhlich sein und heiter,
    ich sterbe nicht,
    ich leb an einem anderen Orte weiter.
    Ute Latendorf

  9. Lieber Tim,
    da ist sicher nichts seltsam oder pietätlos. Vielmehr ein ganz großes Danke für die mich sehr bewegende Mitnahme über die letzten Tage von Anna und eurer gemeinsamen Zeit.
    Und z.B. das Blumenboot von Anna im Garten mit seiner ganz besonderen Bedeutung zeigt, dass sie auch jetzt da ist und in euren Herzen weiterlebt.
    Als es Anna im letzten Jahr noch besser ging hatten wir anlässlich der Oldtimerparade zum 17. Mai noch telefoniert und mein Gedanke war (wenn denn ein Skandinavien-Urlaub wieder möglich sein würde) bei euch nochmal vorbei zu schauen. Denn zuletzt haben wir uns ja 2015 in Kristiansand gesehen. Doch leider ist es jetzt zu einem Wiedersehen mit Anna nicht mehr gekommen und das bedaure ich sehr.
    In Gedanken bei dir und euch
    Volker

  10. Lieber Tim, du schreibst das alles wieder ganz wunderbar! In keinster Weise „seltsam“, es ist einfach deine ganz natürliche Art, mit dieser so schweren und herausfordernden Situation umzugehen. Mach das einfach weiter so, das passt zu dir, hilft dir, und die Blogeinträge zeigen, dass wir Mitlesenden ganz mit dir mitfühlen können. Welch wunderbares Bild, ja Gemälde: ein Blumenboot, ein Hühnerstall, tiefster Friede am Fjord, bald noch ein Schild, und täglich zu denselben Zeiten ein Dauergast im Zwiegespräch. Tief berührend. Ich wünsche dir sehr, dass du dich weiter gut einschwingst und ein neues inneres Gleichgewicht findest. Und dass du alles gut schaffst, was nun noch zu tun ist. Viele herzliche sonnige Grüße aus Marburg! Dirk

  11. Lieber Tim, liebe Titia, lieber Friedrich,
    auch wir möchten euch unser tiefes Mitgefühl
    aussprechen und viel Kraft und Zuversicht wünschen.
    Wir werden Anna in guter Erinnerung behalten.
    Herzlichst
    Ulla Wesemeyer und Familie

  12. Lieber Tim,
    Wir kennen uns nur wenig. Ich bin Rosie, die Frau von Edgar, Annas Patenonkel. Die beiden hatten immer wieder Kontakt, haben sich über diese fürchterliche Krankheit ausgetauscht und sich gegenseitig viel Kraft gegeben. Edgar ist vor 2 Jahren gestorben, auch mit dieser unglaublichen Stärke, die du bei Anna beschreibst.
    Ich kann so gut nachempfinden wie es dir geht, wünsche dir viel Kraft für deine Trauer und denke ganz fest an Anna.
    Liebe Grüße
    Rosie

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