März 21, 2020

Blåbær traut dem Frieden nicht...

Gemütlich.

Kontraste.

 

 

Außergewöhnliche Zeiten.

Nun sind wir also schon 1 Monat verheiratet, aber dass der Beginn unserer Ehe in so außergewöhnliche Zeiten fällt, hätte sich wohl keiner träumen lassen. Regen und Schnee haben uns inzwischen verlassen und ganz langsam hält der Frühling Einzug, auch wenn die Temperaturen aufgrund des klaren Wetters in der Nacht noch unter dem Gefrierpunkt liegen. Friedrich und seine Freundin waren zu Besuch (zur großen Freude von Muffin mit Buddy, Friedrichs Welpen) und sind noch rechtzeitig vor der Sperrung der Grenzen wieder zurück nach Deutschland gekommen. Jetzt ist Titia da und obwohl die gewöhnlichen Fähren ihren Betrieb weitgehend eingestellt haben, hat sie eine Überfahrt für nächste Woche bekommen und wird wohl, da sie deutsche Staatsbürgerin ist, Dänemark als Transitland durchqueren dürfen. Nachdem sie hier 2 Wochen in Heim-Quarantäne war, wird sie das, wenn sie zurück ist, gleich noch einmal vor sich haben. Aber es gibt Schlimmeres.
Anna habe ich inzwischen untersagt zum Einkaufen zu gehen. Als Hochrisikopatientin will ich da keinerlei Kompromisse eingehen. Obwohl die Ärzte ihre letzte Chemotherapie abgesagt haben, ist der Körper natürlich noch lange nicht so weit, sich gegen eine ernsthafte Viruserkrankung zu wehren. Auch ich gehöre durch meine Rheumamedikamente zur Risikogruppe, bin aber lange nicht so gefährdet wie Anna. Ein neues MRT ist für den Mai angesetzt und wir hoffen sehr, dass das aufgrund der momentanen Situation nicht verschoben wird.
In Norwegen gibt es, im Vergleich zur Einwohnerzahl, sehr viele Coronafälle. Wir sind jetzt bei rund 2000 Fällen, hier in Kristiansand rund 80 aber die Testkapazitäten reichen natürlich auch hier nicht aus. Die Regierung hat viele Maßnahmen erlassen, das unangenehmste war bisher die Empfehlung, wer noch zu behandeln ist und wer nicht, falls es zu Engpässen bei der Intensivversorgung kommt. Zigtausende sind von ihrer Arbeitsstätte beurlaubt (zum Glück nicht entlassen), aber der Staat übernimmt bereits nach 2 Tagen die Lohnkosten (immerhin 80%). Selbstständige müssen etwas länger warten und bekommen dann bis zu 80 % des Durchschnittseinkommens der letzten 3 Jahre. Das gilt alles nicht furchtbar lange, ist aber erst mal eine Hilfe. Die Banken haben die Zinsen gesenkt und jeder, der es braucht, kann eine 6 monatige Aussetzung der Rückzahlungen beantragen.
Die Geschäfte haben noch geöffnet und ich habe das Gefühl, dass sich die Norweger insgesamt mehr an die Auflagen halten als die Deutschen. Die Schulen sind natürlich geschlossen und so sind wir komplett auf Onlineunterricht umgestiegen. Jeden Morgen um 10 Uhr haben wir mit allen Kollegen eine Videokonferenz, wo wir besprechen wie der Unterricht läuft und welche Rückmeldungen wir von den Eltern bekommen haben. Die Schüler ab der 7. Klassen sitzen zu den ganz normalen Schulzeiten vor ihrem PC und werden dort unterrichtet. Die Aufgaben stehen für jeden einzelnen Schüler online und wir als Lehrer können zeitgleich mit den Schülern daran arbeiten. Erklärungen usw. gibt er per Chat oder Video-/Audiokonferenz. Das funktioniert wirklich gut, ist für uns Kollegen aber viel Arbeit, zumal ich es nicht gewohnt bin bis zu 12 Stunden am Tag vor dem Rechner zu sitzen. Die Klassen 1-6 sind täglich per Telefon mit ihren Lehrern in Verbindung und bekommen Aufgaben per Mail. Da muss man dann ganz schön kreativ sein. So sollen die Kinder der 4 Klasse zum Beispiel jeden Tag in den Garten oder Wald gehen und das Wachsen der Pflanzen im Frühling dokumentieren. Wenn dann wieder Schule ist, wird das zusammengesetzt. Viele der Schüler sollen im Haushalt helfen und das dokumentieren, malen, zeichnen und Epochenhefte führen, gehört ebenso zu den täglichen Aufgaben. Sogar für die Eurythmiestunden gibt es Arbeitsaufträge, die zu Hause erledigt werden. Die Schüler bekommen einen Wochenplan, in dem genau steht, wann welche Aufgaben in welchem Fach zu erledigen sind. Das sich nicht alle genau daran halten ist klar, aber für viele Eltern, die jetzt von zu Hause aus arbeiten und gleichzeitig auf die Kinder aufpassen müssen, ist das eine große Hilfe, dass ein bestimmter Rhythmus beibehalten wird.
Ich erstelle Aufgaben, habe Videounterricht mit den Klassen 5-9 (hier in Norwegen entspricht das den Klassen 6 bis10), erstelle online Vokabelübungen und versuche, es den Schülern so angenehm wie möglich zu machen. Das erstaunliche ist, ein Großteil der Schüler arbeitet deutlich mehr als in der Schule und nach einer Woche werden die ersten Stimmen unter den Schülern laut, dass sie sich wieder auf die Schule freuen. Die Aufgaben, die ich Teams stelle (wir arbeiten hier mit Microsoft Teams – ist jetzt in der Krise von Microsoft kostenlos für ein halbes Jahr bereitgestellt worden und jeder kann sich mit seiner Emailadresse da anmelden – funktioniert im Browser, als Programm und als App) haben alle ein festes Abgabedatum und ich kann jederzeit sehen, welcher Schüler die Aufgaben bearbeitet hat, das korrigieren und zurückgeben. Vieles ist zur Zeit sicher nicht besonders Waldorfgemäß, aber die Schüler lernen etwas und haben in keinster Weise das Gefühl von Ferien – ganz im Gegenteil. Vokabeln schreibe ich nicht nur in die Dokumente, sondern erstelle gleichzeitig noch Übungen in quizlet, wo die Schüler online die Vokabeln mündlich und schriftlich üben können. Das macht, jedenfalls am Beginn, den Schülern großen Spaß. Nun sind wir gespannt, wie lange die Situation so weitergeht, geplant ist die Schulschließung erst mal bis zum 26. März, aber ich glaube nicht, dass das vor den Osterferien noch was wird. Die erste Woche war extrem stressig, aber so langsam lernt man ja mit den ganzen Medien umzugehen und wird deutlich schneller. Auch die Schüler tauchen alle zu Unterrichtsbeginn online auf (die beginnen ja bereits um 8:30 Uhr mit dem Hauptunterricht) und arbeiten so wie es vorgesehen ist. Die, die dem Unterricht fernbleiben, werden dann vom Klassenlehrer/Betreuer kontaktiert. Die Eltern sind soweit zufrieden, die Kinder haben etwas zu tun, nur zum Teil klagen sie darüber, dass die Schüler zu viele Aufgaben bekommen.
Das Unteterrichtsleben ist hier in Norwegen also nicht zum Erliegen gekommen und wenn man nicht weiterkommt, kann man in einer Facbookgruppe, in der inzwischen über 20000 norwegische Lehrer zusammen sind, Fragen stellen, Hilfe anfordern und man erhält massenweise gute Tipps für kostenlose Programme, mit den man mit den Schülern arbeiten kann. Von der virtuellen Tafel, auf die man gemeinsam mit den Schülern schreiben kann, bis hin zu Lernaufgaben für Schüler mit speziellen Bedürfnissen. Ein Land wird digital. Viele von den Dingen, die wir jetzt in der Notsituation lernen, werden hinterher sehr hilfreich sein, wenn alles wieder seinen normalen Gang geht.
So, ich muss jetzt Aufgaben für die nächste Woche vorbereiten und mache mal Schluss.
Kommt gut durch diese außergewöhnliche Zeit, bleibt gesund und drückt die Daumen für Annas nächste Untersuchungen.
Wir lassen bald wieder von uns hören. (Wenn jemand Fragen zum Onlineunterricht hat oder Anregungen braucht, dann schickt mir eine Mail)

Liebe Grüße an Euch alle.

Tim & Anna

3 Comments on “

  1. Lieber Tim, liebe Anna, gut zu lesen, dass in dieser Krisenzeit mehr und aktiver an- und zugepackt wird denn je und der Unterricht in veränderter Form fortgesetzt wird. Besonders schöner Nebeneffekt: dass viele Schüler(innen) nun wohl nach und nach auch die Vorteile der herkömmlichen Beschulung besser erkennen und und zunehmend beginnen, sich sogar nach dieser zurück zu sehnen! Gut auch zu lesen, wie schnell der norwegische Staat auf die drohende finanzielle Not vieler reagiert und ohne viel Tamtam schon jetzt Hilfe leistet! Ein Beispiel, das hoffentlich auch hier bald …, äh, Schule macht! 😉 – In Marburg und bei mir persönlich ist alles, den Umständen entsprechend, soweit okay (ich kenne noch keine direkt Betroffenen), nur schon ziemlich merkwürdig, wie leer und still es draußen plötzlich geworden ist! (Aber das ist ja auch gut so!) Ich wünsche uns allen ein baldiges Ende der Krise und euch – und ganz besonders Anna -, dass ihr gesund bleibt und es bald bergauf geht. Liebe Grüße und heilende Gedanken, auch von Katja, sendet euch und euren Lieben Exo aus Marburg. Liebe Grüße auch an Tizia!

  2. Lieber Tim, liebe Anna,
    haltet die Ohren steif, auch in diesen schwierigen Zeiten. Wir denken an Euch.
    Kirsten und Jochen

  3. Hallo liebe Anne und Tim,
    ich bin nicht sicher ob ihr meine Glückwünsche zur Hochzeit erhalten habt, daher auf diesem Wege „nochmal Alles Liebe & Gute“. Ganz oft fahre ich am Eichwerder Hof vorbei und denke dann an Dich, liebe Anna! Wir haben nun leider unsere Norwegen Reise im Mai abgesagt. Geplant war am 29.05. von Dänemark nach Kristiansand überzusetzen. Dann wären wir auf einen Sprung bei Euch vorbei gekommen. Leider wird das nun nichts.
    Lena ist nach wie vor in Bergen und möchte dort auch bleiben. Sie sagt, dass die Norweger viel früher und effektiver ihre Maßnahmen zur Vorbeugung durchgeführt haben und sie sich in Norwegen sicherer fühlt als in Deutschland…so wie es momentan aussieht, werden wir unsere Norwegen Tour auf nächstes Jahr verschieben oder evtl. im Herbst nachholen.
    Ich hätte nicht gedacht, dass unsere Generation einmal solche Zeiten wie sie momentan sind, erlebt – aber ich glaube, die Natur holt sich gerade etwas zurück und ich empfinde diese „Stille“ als äußerst angenehm, wenn es sich auch manchmal etwas bedrohlich anfühlt.
    Seid ganz lieb von uns allen gegrüßt und vor allem, passt gut auf Euch auf.
    Petra, Frank & Daniel

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